Anmerkung (22. August 2022): Herbert W. Franke verstarb am 16.7.2022. Möge er in Frieden ruhen. Diesen Geburtstagsgruß haben wir verfasst, als er noch lebte. Er zog sogar in Betracht, nächstes Jahr persönlich dabei zu sein, wusste aber, dass er uns lediglich ein „Vielleicht“ anbieten konnte. Wir sind traurig, dass jede Ausstellung und Würdigung seiner Werke von nun an nur noch eine Retrospektive sein kann, aber wir freuen uns gleichzeitig, dass wir eine solche Ausstellung und Würdigung im Rahmen der MetropolCon im Programm haben werden.

Herbert W. Franke: Kunstausstellung im VISIONÄR in Linz und auf der MetropolCon 2023

Wir gratulieren herzlich zum 95. Geburtstag von Herbert W. Franke am 14. Mai 2022 und freuen uns, ihn als Gast auf unserer Convention begrüßen zu dürfen. 

Seit 30. März 2022 läuft im Linzer Museum Francisco Carolinum die Ausstellung seiner Werke unter dem Titel „Visionär“. Die Ausstellung läuft noch bis 12. Juni 2022.

Wer ist Herbert W. Franke?

Franke hatte bereits 1954 einen analogen Computer zur Herstellung seiner künstlerischen Werke benutzt. Ab den Sechzigern nutzte er dann Großrechner, um seine „algorithmische“ mathematische Kunst zu kreieren. In dieser Zeit begann er auch, zunächst beim Goldmann Verlag die Science-Fiction-Reihe zu betreuen. Er selbst begann Kürzestgeschichten zu schreiben – ihn faszinierten wissenschaftlich-gesellschaftliche Probleme. 1979 gründete er die Ars Electronica mit. In den 2000er Jahren entwickelte er mit seiner Frau Susanne Päch die virtuelle „Z-Galaxy“, die praktisch das Metaverse vorwegnahm. 

Seine Computerkunst bewegt sich zwischen Zufall und Analyse. „Das sind die zwei Begriffe, die ich in meinen Werken zusammenbringe. Wobei ich den analytischen Teil beim Künstler sehe, die Erzeugung von Zufall jedoch bei der Maschine. Sie kann durch Würfeln Kreativität erzeugen, die mir womöglich gar nicht in den Sinn gekommen wäre. So ist für mich der Computer eigentlich mehr als ein Werkzeug, er ist ein Partner, den ich im Prozess der Kunstentstehung einsetze.“

In der phantastischen Literatur ist er vor allem durch seine SF-Kurzgeschichten und -Romane bekannt. Im Verlag p.machinery erscheint seit einigen Jahren eine Werkausgabe mit Einführungen und Nachworten und sehr ansprechenden Illustrationen seines Namensvetters Thomas Franke. Thomas Franke nutzt die Collagetechnik, um die Vielgestaltigkeit der Texte von Herbert W. Franke einfangen zu können. 

Franke schreibt bereits früh über Fragen der Künstlichen Intelligenz; auch die Gefahr eines Überwachungsstaats scheint immer wieder in seinen Geschichten auf. Franke ist einerseits ein genauer Beobachter des technologischen Fortschritts und seiner gesellschaftlichen Auswirkungen, andererseits an spannenden Geschichten interessiert. Sein Stil ist nüchtern, dabei aber nie zu trocken. Das Frühwarnsystem, das in qualitativ hochwertiger Science Fiction eingebaut ist, zeigt stets verschiedene Möglichkeiten auf – den Scheideweg zwischen Utopie und Dystopie. Herbert W. Franke war dabei einer der Ersten nach der Zäsur des Faschismus in Europa, der die unterbrochene SF-Tradition neu belebte. Hans Dominik, aber auch die Prager Fantasten wie Franz Kafka und Leo Perutz waren Vorbilder. 

Franke verbindet schon früh seine naturwissenschaftliche Ausbildung als Physiker und sein Interesse in der Höhlenforschung mit seiner Rolle als Schriftsteller. In „Ypsilon Minus“ etwa durchdenkt Franke eine zukünftige Kontrollgesellschaft, deren Abweichler alle mit dem gleichnamigen Code „Ypsilon Minus“ bezeichnet werden. Der Kontrolleur Benedikt Erman bekommt eines Tages die Anweisung, sich selbst zu überprüfen. Kann das sein? Hat sich ein Fehler in das System eingeschlichen? Der Roman erschien erstmalig bei Suhrkamps Phantastischer Bibliothek im Jahr 1976. Ebenfalls früh beschäftigt sich Franke mit den Implikationen von Informationsverarbeitung, den Chancen wie den Risiken. In „Die Glasfalle“ greift Franke reale Ängste der beginnenden achtziger Jahre auf, der Roman erscheint 1981. Soldaten werden durch Drogen zu kampfbereiten Menschen gemacht und parallel schildert Franke einen Raumflug von Überlebenden der Nuklearkatastrophe auf der Suche nach einer neuen Heimat. Die Beklemmung in diesem Roman gewinnt angesichts des kriegerischen Überfalls auf die Ukraine eine bedrohliche Aktualität. 

„Zone Null“ ist ein weiterer Roman, der eine vergangen geglaubte Drohkulisse entwirft, die des Kalten Kriegs, die nun wieder sehr gegenwärtig geworden ist. Zwei Supermächte haben sich nach einer vernichtenden Katastrophe in ihren Blöcken eingerichtet. Dann aber wird eine sorgfältig ausgewählte Expedition in das Niemandsland – die Zone Null – geschickt. Die Problematik erinnert zuweilen auch an die Klassiker osteuropäischer SF, wie die Brüder Strugatzki oder auch Stanislaw Lem, die ebenfalls Grundprobleme menschlichen Zusammenlebens in eine technologischer gewordene Zukunft projizieren und daraus philosophisch spannende Fragen entwickeln. Franke zeigt hier einen umfassenden Blick. 

Die aktuelle Werkausgabe bei p.machinery ermöglicht eine neue oder aufgefrischte Bekanntschaft mit Frankes Werk. 

Auf der MetropolCon 2023 sollen Herbert W. Frankes Kunstwerke und Computerkunst eine interessante Perspektive auf das Thema „Chaos und Ordnung“ bieten.

Dominik Irtenkauf